Info-Brief 1 / 2021 Neues im Betreuungsrecht

 

1.   Stellungnahme des BGT e.V. zu betreuungsrechtlichen Fragen der Corona-Impfungen

 

  1. Es ist nicht die Aufgabe eines Betreuers/einer Betreuerin, sich stellvertretend für die von ihm betreute Person an der allgemeinen öffentlichen Diskussion um die Corona-Impfung zu beteiligen. Seine/Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die betreute Person bei ihrer Entscheidung zu unterstützen, ob sie sich impfen lässt, und sie dann dabei ggf. auch zu vertreten. Dabei kommt es, wie stets nach §§ 1901, 1901a BGB, auf die Wünsche und ggf. den mutmaßlichen Willen der betreuten Person an.

 

  1. Bei einer behördlich empfohlenen Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff bedeutet das letztlich im praktischen Ergebnis, dass der Betreuer/die Betreuerin zu fragen hat, ob die von ihm betreute Person eine Impfung generell oder jedenfalls in diesem Fall ablehnt oder abgelehnt hätte.

 

  1. Ein rechtlicher Betreuer/eine rechtliche Betreuerin darf nur dann stellvertretend für die betreute Person in eine Impfung einwilligen, wenn die betreute Person selbst nicht einwilligungsfähig ist und er/sie vom Gericht für einen entsprechenden Aufgabenkreis bestellt ist, z.B. Gesundheitssorge.

 

  1. Vor einer Vertretungsentscheidung muss der Betreuer/die Betreuerin zuerst versuchen, die betreute Person bei ihrer eigenen Entscheidung zu unterstützen.

 

  1. Falls der Betreuer/die Betreuerin als Vertreter/in in eine behördlich empfohlene Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff einwilligt, wird die betreute Person durch die Impfung als solche i. d. R. keinen Gefahren i.S.d. § 1904 Abs. 1 BGB ausgesetzt, so dass diese Einwilligung nicht genehmigungsbedürftig ist. Ausnahmen sind denkbar, wenn z.B. eine Impfung im konkreten Fall bei dieser betreuten Person wegen ihres gegenwärtigen Gesundheitszustandes gefährlich wäre. Dies muss ggf. ein Arzt/eine Ärztin beurteilen.

 

  1. Falls der Betreuer/die Betreuerin die ärztlicherseits vorgeschlagene und behördlich empfohlene Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff ablehnt, kann diese Ablehnung nach § 1904 Absatz 2 BGB genehmigungsbedürftig sein, wenn die betreute Person durch die Nichtimpfung erheblich gefährdet wird.

 

  1. Nach § 1904 Absatz 4BGB ist die Genehmigung in beiden Fällen (Ziff. 5 und Ziff. 6) auch dann nicht erforderlich, wenn zwischen dem/r Betreuer/in und dem/r behandelnden Arzt/Ärztin Einvernehmen über den nach § 1901a BGB festgestellten Willen der betreuten Person besteht.

 

  1. Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend auch für Corona-Testungen, die mit einer körperlichen Untersuchung verbunden sind. Sie gelten auch für Vorsorgebevollmächtigte, die eine Bevollmächtigung in Gesundheitsangelegenheiten haben.

 

Das sind die Fragen, die in der Rechtlichen Betreuung zu stellen sind. Der nachstehende Fragenkatalog gehört dagegen in die allgemeine Impfdiskussion und muss dort beantwortet werden.

 

-      Welche evidenzbasierten Beweise bzgl. der Wirksamkeit des angedachten Impfstoffes liegen derzeit vor // Langzeitstudien!?

-      Handelt es sich um einen Lebendimpfstoff?

-      Welche möglichen Langzeitfolgen und Komplikationen können bei Unverträglichkeit hervorgerufen werden

-      Welche möglichen Langzeitschädigungen können wg. nicht vorhergesehenen Komplikationen auftreten?

-      Wurde der angedachte Impfstoff bereits an vulnerablen Gruppen getestet und falls ja, welche medizinischen Erkenntnisse wurden gewonnen und unter welchen Quellen können entsprechende Studienergebnisse nachvollzogen werden?

-      Wird eine Ansteckung an Covid-19 trotz Impfung bei erneuter Mutation des Virus möglich sein und muss ggf. alsbald jährlich geimpft werden?

 

Info-Brief 2 / 2021

 Patientenverfügung in Zeiten der Corona-Pandemie

 

Da es einige Verunsicherung um die Patientenverfügung in Corona-Zeiten gibt, haben wir nachfolgend einige Gedanken aus der momentanen medialen Diskussion zur Information zusammengestellt.

 

In Corona-Zeiten stellen sich manche die Frage, ob sie ihre Patienten­verfügung aktualisieren sollten. Die Über­legung dahinter: Eine künst­liche Beatmung am Lebens­ende lehnen Menschen in vielen Patienten­verfügungen ab. Doch im Notfall möchten sie bei einem schweren Covid-19-Verlauf vielleicht doch beatmet werden. Sie können beruhigt sein: Eine Behand­lung wegen Covid-19 ist kein klassischer Anwendungs­fall für eine Patienten­verfügung.

 

Evtl. haben Sie in ihrer allgemeinen Patientenverfügung vermerkt, im Fall der Fälle keine lebensverlängernden Maßnahmen in Anspruch nehmen zu wollen. Auch keine Beatmung. Doch was, wenn sie wegen einer Corona-Infektion beatmet werden müssten? Dann würde Sie das eventuell schon wollen, da eine Beatmung ja dazu beitragen könnte, dass Sie wieder gesund werden.

Grundsätzlich gilt, dass die Standard-Patientenverfügung nur greift, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, selbst zu kommunizieren, und die Prognose schlecht ist, wieder gesund zu werden. In der Regel ist das bei Corona nicht der Fall. Das heißt: Die Ärzte werden erst einmal das tun, was medizinisch angebracht ist. Dies bedeutet auch: Ihre Patientenverfügung müssen sie erst einmal nicht zwangsläufig ändern.

Künst­liche Beatmung bei Covid-19

In der aktuellen Corona-Pandemie sind die Möglich­keiten der künst­lichen Beatmung besonders wichtig. In Deutsch­land wurden zu Beginn der Pandemie zusätzliche Beatmungs­geräte ange­schafft und Intensiv­kapazitäten in den Krankenhäusern ausgebaut, um Menschen bei einem schweren Krank­heits­verlauf retten zu können. Die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 kann bei einem schweren Verlauf ­eine künst­liche Beatmung notwendig machen, für die ein Patient vorher in ein künst­liches Koma versetzt wird.

Die Beatmung in schweren Fällen ist nahezu die einzige Möglich­keit, einen Patienten zu behandeln und zu retten, solange keine Medikamente gegen das Coronavirus verfügbar sind“, sagt Dr. Christian Hermanns, Anästhesist und Notfall­arzt, von der Deutschen Gesell­schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. „In einem Groß­teil der Fälle trägt die Beatmung dazu bei, dass sich die Lunge erholen kann und der Patient gesund wird.“

Künst­liches Koma und Patienten­verfügung

Petra Vetter, Fach­anwältin für Medizinrecht aus Stutt­gart erklärt: „Mit der dauer­haften Entscheidungsun­fäh­igkeit, die Voraus­setzung dafür ist, dass ­eine Patienten­verfügung über­haupt zu beachten ist, hat das „künst­liche Koma“ nichts zu tun“. In die Beatmung samt Koma­zustand hat der Patient nach Aufklärung vorher einge­willigt. Die Behand­lung ist darauf ausgerichtet, dass der Patient wieder erwacht und entscheidungs­fähig wird.

Wenn sich das Therapieziel ändert

Stellt sich im Verlauf einer künst­lichen ­Beatmung wegen Covid-19 allerdings heraus, dass diese Therapie nicht mehr indiziert – also angebracht – ist, müssen Ärzte ein neues Therapieziel fest­legen. Gibt es für den Patienten aller Wahr­scheinlich­keit nach, keine Aussicht auf Wieder­erlangung des Bewusst­seins, können Ärzte dann auf Grund­lage einer Patienten­verfügung über einen Therapie­verzicht entscheiden. Hat ein Patient in gesunden ­Tagen in einer Patientenverfügung fest­gelegt, in solch einer Situation auf lebens­verlängernde intensivmedizi­nische Maßnahmen zu verzichten, können Ärzte gemein­sam mit seinem ­Bevoll­mächtigten oder Betreuer den ­Patienten­wunsch umsetzen.

Nein zur Behandlung im Krankenhaus?

Doch was ist, wenn man eben auf keinen Fall intensivmedizinisch behandelt werden will? Der Leiter der München-Klinik in Schwabing, Clemens Wendtner, hat vor Kurzem gesagt, er beobachte, dass viele Senioren mit einer Corona-Infektion nicht mehr ins Krankenhaus gebracht und auch nicht intensivmedizinisch behandelt werden wollten. Zahlen dazu gibt es bislang noch nicht.

Corona-Patientenverfügung kann sinnvoll sein

Eventuell ist in diesem Fall eine Ergänzung der allgemeinen Patientenverfügung sinnvoll. In entsprechenden Formularen werden unterschiedliche Situationen beschrieben und Behandlungsoptionen, die angekreuzt werden können. Etwa, ob man im Fall einer Infektion in ein Krankenhaus verlegt werden möchte und ob dann auch eine Behandlung auf einer Intensivstation erfolgen soll oder nicht.

Auch die konkrete Frage, inwieweit jemand beatmet werden möchte, ob nicht-invasiv mit Maske oder invasiv über einen Schlauch in der Luftröhre, wird gestellt und kann entsprechend markiert werden.

Recht auf Beratung

Menschen z.B. in stationären Pflegeinrichtungen haben sogar ein Recht auf entsprechende Beratung. Seit 2015 können sechs Stunden Gesprächsbegleitung verteilt auf mehrere Wochen oder Monate in Anspruch genommen und abgerechnet werden.

Ein Pflegeheim muss das organisieren, die Gespräche werden dokumentiert.

Dokumentation schafft Sicherheit für Angehörige und Ärzte

Die Dokumentation des Willens schafft Sicherheit für die Ärzte und die Angehörigen und für das gesamte Umfeld.

Ludwig Ney, Intensivmediziner am Innenstadtklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München, bestätigt das. Mit Blick auf die Corona-Pandemie weist der Mediziner aber darauf hin, dass die Patienten in der Regel zunächst ansprechbar sind. "Die meisten kommen ja zu uns nicht wie nach einem Unfall oder Herzinfarkt in einer akuten Situation, sondern mit einer allmählichen Verschlechterung und man kann sie fragen, was ihre Vorstellung ist, wie weit wir gehen sollen und dann bekommt man das schon ganz gut raus", so Ney. Doch gerade in dieser Situation helfe es, wenn die Patienten sich vorher schon einmal damit beschäftigt hätten. (Quelle: tagesschau.de)

 

 

 

 

Info-Brief 3 / 2021

 


 

1. Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer um 1 € erhöht

Seit dem 1.1.2021 erhalten ehrenamtliche Betreuer eine Aufwandspauschale in Höhe von 400 € für jede ehrenamtlich geführte Betreuung. Davor betrug die Aufwandsentschädigung 399 €. Ab dem 1.1.2023 steigt die Aufwandsentschädigung auf 425 €. Möglich macht diese Erhöhung eine Änderung des § 22 JVEG. Das JVEG regelt unter anderem die Vergütung von Zeugen, die in einem Gerichtsverfahren aussagen müssen. Nach § 22 JVEG steht Zeugen ein Verdienstausfall von 25 € pro Stunde zu. Nach § 1835a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ist dieser Betrag mit dem 16-fachen zu multiplizieren, um die Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer zu berechnen.

 

2.  Öffentliche Skripte zum Krankenkassenrecht
Frau Claudia Mehlhorn, Expertin im Krankenkassenrecht und Mitautorin im Leitfaden, hat verschiedene Skripte zum Krankenkassenrecht auf ihrer Webseite veröffentlicht, zu den Themen:
- Zugang zur GKV für EU- und Drittstaatler_innen
- Zugang PKV und anderweitige Absicherungen
- Betreuerhaftung in der Krankenversicherung
- häufige Fragen zur KV mit Antworten

Falls die Links nicht funktionieren, hier: https://t1p.de/yxgn

3. Kurzinfos zu sozialrechtlichen Ansprüchen von Hochwassergeschädigten
Hochwassergeschädigte können Leistungsansprüche nach dem SGB II und SGB XII haben. SGB II für Arbeitsfähige und SGB XII für nicht Arbeitsfähige und Altersrentner.
Die Ansprüche beinhalten:
a. Unterkunftskosten
Die Übernahme von Unterkunftskosten, also auch Hotel- und Pensionszimmern, wenn die derzeitige Unterkunft unbewohnbar ist. Zu den Unterkunftskosten können im Einzelfall auch Kosten für Entsorgung von nicht mehr verwertbarem Hausrat, Stromkosten für Trockner und vergleichbarer Kosten zur Bewohnbarmachung von Wohnungen und auch Eigentum gehören. Ebenso können dazu laufende Kosten für Eigentum (Zinsen und Betriebskosten, aber keine Tilgung) gehören.
Durch die Regelungen im Sozialschutzpaket gelten derzeit alle Unterkunftskosten als angemessen (§ 67 Abs. 3 SGB /§ 141 Abs. 3 SGB XII).
Ein Verweis auf eine Notunterkunft wäre nicht zumutbar.

b. Hausratsgegenstände und Bekleidung
Übernahme von Hausratsgegenständen und Bekleidung, diese gelten bei Totalverlust als Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände und sind auf Zuschussbasis zu gewähren (§ 24 Abs. 3 S. 3 SGB II/ § 31 Abs. 2 SGB XII. Hierbei „können“ bei Nichtleistungsbeziehenden zukünftige Einkünfte berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser außergewöhnlichen Situation, kann das Jobcenter/Sozialamt aber auch von der Berücksichtigung zukünftiger Einkünfte absehen.

c. Zum Einsatz von Vermögen
Im SGB II gibt es für Neuanträge, die bis Dez. 2021 gestellt werden, ein geschontes Vermögen von 60.000 € für die erste und 30.000 € für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft, insofern erklärt wird, dass nicht über erhebliches Vermögen verfügt wird (§ 67 Abs. 2 SGB II).
Im SGB XII gilt 25.000 € als Vermögen geschont, wenn Einkommen zuvor ganz oder überwiegend aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt wurde (§ 66a SGB XII), sonst gilt regulär 5.000 EUR als Schonvermögen (§ 1 S. 1 Nr. 1 Vo zu § 90 SGB XII). In Härtefällen ist Vermögen nicht einzusetzen (§ 90 Abs. 3 SGB XII). Ein Komplettverlust von Hausrat und Bekleidung wegen Hochwasser dürfte als ein solcher Härtefall gelten.

Anträge müssen beim örtlichen Jobcenter oder Sozialamt am Wohnort gestellt werden. Leistungsansprüche bestehen nur für Zeiten ab Antragstellung. 
Es wäre sinnvoll, dass über diese Ansprüche medial, durch Sozialverbände und durch Helfergruppen aufgeklärt wird.

 

4. Zur Fixierung

Eine Isolierung stellt im Vergleich zur Fixierung eine mildere Maßnahme dar.

Wenn bereits eine Fixierung für erforderlich gehalten wird, bedarf eine ebenfalls beantragte Isolierung keiner Entscheidung.

Die Entscheidung über eine Isolierung unterliegt nicht dem Richtervorbehalt

AG Groß-Gerau, Beschluss vom 10.1.2021-43 XIV 7/21

 

5. Zur Vorsorgevollmacht

Eine notariell beurkundete oder beglaubigte General- und Vorsorgevollmacht, die den Wirkungsbereich „Vermögen“ umfasst, berechtigt den Bevollmächtigten auch zu Verfügungen über Bankkonten des Vollmachtgebers, unabhängig davon, ob zugleich eine spezielle Bankvollmacht erteilt worden ist oder nicht.

Auch nach Eintritt der Hilfsbedürftigkeit des Vollmachtgebers ist daher die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ oder „Bankangelegenheiten“ gem. § 1896 abs. 2 BGB nicht erforderlich.

Veranlasst eine Bank die Bestellung eines Betreuers, weil sie eine Vollmacht ablehnt, gegen deren Wirksamkeit keine Gründe sprechen, so können ihr bei grobem Verschulden gem. § 81 Abs. 4 FamFG die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

AG Altötting, Beschluss vom 26.22.2020-XVII406/20

 

6. Neue Verwaltungshinweise zum Wohngeldrecht
Es gibt neue Verwaltungsanweisungen zum Wohngeld des Landesbauministeriums NRW. Das sind umfassende Dienstanweisungen, die, da es sich um die Umsetzung von Bundesrecht handelt, natürlich vom Grundgedanken in allen Bundesländern anzuwenden sind. Die Weisungen sind sehr umfangreich und haben „Kommentarqualität“.

Es gibt sie hier: https://wuppertal.tacheles-sozialhilfe.de/dienstanweisungen/wohngeldamt/