Arzneimitteltests an Demenzkranken

Künftig sind in Deutschland klinische Studien an Demenzkranken erlaubt. Der Bundestag machte den Weg dafür frei. Viele Parlamentarier äußerten aber auch Bedenken. Was steckt dahinter?

 

Damit es irgendwann einmal eine Medizin gegen Demenz gibt, muss erst auch an Demenzkranken geforscht werden. Solche Tests sind in Deutschland bisher aber nur sehr begrenzt erlaubt. Ausnahmen gibt es nur dann, wenn der Patient selbst unmittelbar von der Therapie profitiert. Genau das will Gesundheitsminister Hermann Gröhe jetzt mit einer Novelle im Arzneimittelrecht ändern. Auch wer selbst gar nichts von den Tests hat, soll als Proband zur Verfügung stehen - zu Forschungszwecken.

 

Kathrin Vogler von der Linkspartei findet das bedenklich. "Wollen wir wirklich, dass Arzneimittel in diesem Land an Menschen getestet werden, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite der Studie zu erkennen? Und zwar auch dann, wenn sie selber keinen Nutzen davon haben?", fragt sie und gibt zugleich selbst die Antwort: Nein, das wolle sie nicht. Viele andere Parlamentarier quer durch alle Fraktionen sehen das genauso.

 

 

Dabei können die Patienten laut Novelle selbst festlegen, ob und wie sie später einmal an Tests teilnehmen wollen. Dazu hätte ein Betreuer immer noch das letzte Wort. Trotz dieser Einschränkungen gehe die sogenannte "gruppennützige Forschung" an "nicht einwilligungsfähigen Personen" zu weit. Hubert Hüppe von der CDU appelliert an das Gewissen der Abgeordneten: "Ich möchte sie bitten, keine Tür aufzumachen, die man nicht aufmachen müsste. Wo der ein oder andere in vielen Jahren denkt, hätten wir das lieber nicht getan."

 

Informationen zu Demenz und Alzheimer

 

Bereits heute leiden laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 47,5 Millionen Menschen an einer Form von Demenz, jährlich kommen 7,7 Millionen neue Patienten hinzu. Rund zwei Drittel der Patienten haben Alzheimer.

In Deutschland leben derzeit etwa anderthalb Millionen Demenzkranke, auch hier haben zwei Drittel von ihnen die nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannte Krankheit. Bis 2050 wird die Zahl der Demenzkranken in Deutschland Experten zufolge auf rund drei Millionen steigen, wenn kein Durchbruch in der Therapie gelingt.

 

Zumal auch Medizinexperten darüber streiten, ob solche Tests für die Forschung überhaupt nötig sind. Trotzdem fehlten im Parlament dann letztlich die nötigen Stimmen, um die Novelle zu stoppen. Nur eine kleine Änderung hat es noch in den Text geschafft: Patienten müssen sich ärztlich beraten lassen, bevor sie sich für die Tests zur Verfügung stellen.


Ethische Bedenken

 

Gesundheitsminister Gröhe hält das für einen guten Kompromiss für die Forschung: "Zum Menschsein gehört auch, Leid lindern zu wollen, Krankheiten besser verstehen und heilen zu wollen", so der CDU-Politiker. Ihn bedrücke der forschungsfeindliche Ton, der in der Debatte zum Teil angesetzt werde.

 

Wobei "forschungsfeindlich" vielleicht etwas übertrieben ist. Medizinrechtler, Demenzforscher und auch die katholische Kirche haben schlicht ethische Bedenken geäußert. Wer im Anfangsstadium von Demenz seine Einwilligung gibt, könne schließlich noch gar nicht wissen, welche Tests in ein paar Jahren auf ihn zukommen.

 

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach widerspricht: Zur Menschenwürde gehöre auch, den einmal gefassten Entschluss eines Demenzkranken zu würdigen: "Mit welchem Recht spreche ich den Demenzerkrankten ab, sich selbst verwirklichen und noch einen Beitrag - nach klaren Regeln - leisten zu wollen?"

 

Quelle: Tagesschau